Achtsam mit dem Myelom leben
Published by Martina Esberger on
Achtsam mit dem Myelom leben
Ein Workshop zum Umgang mit schwerwiegender Erkrankung und Schmerz
Das dritte Jahr in der Folge wurde das Wochenende Seminar „Achtsam mit dem Myelom leben“ von der Multiple Myelom PatientInnen Selbsthilfegruppe im Rahmen der Fortbildungsreihe „Mit dem Myelom im Gepäck“ PatientInnen und Angehörigen angeboten. Konzipiert vom Obmann DI Thomas Derntl, umfasst die Reihe noch Seminare zum Leben als Paar und das physische Leben mit der Erkrankung. Alle Seminare finden großen Anklang und sind meist schnell ausgebucht.
Der Workshop fand dieses Mal im malerischen Ybbs an der Donau statt. In einem Hotel mit Blick auf die sanft fließende Donau, lässt sich der Fluss des Lebens umso leichter betrachten, mit seinen Wellen und Tälern, den unausweichlichen Höhen und Tiefen, der Freuden und des Leids, Gesundheit und Krank sein im ständigen Wechsel. Im Hinblick auf die ständig wechselnde Witterung, die den sanften Fluss in einen reisenden unaufhaltbaren zerstörerischen Strom verwandeln kann.
Wie gehen wir mit einer schwerwiegenden Erkrankung mit Achtsamkeit um? Wie lernen wir akzeptierend und annehmend, statt kämpfend und ablehnend, mitfühlend mit unserem eigenen Körper, den neu auftretenden Empfindungen, unseren Gedanken und schwierigen Gefühlen im Alltag bewusst zu leben? Was hilft uns in der Bewältigung dieser zutiefst menschlichen Umstände, die auf der Parabola des Daseins vom ersten Einatmen bis zum letzten Ausatmen unausweichlich sind? Wie verankere ich mich im Hier und Jetzt, gerade in herausfordernden Situationen und nehme jeden Augenblick präsent und wach wahr, ohne in der Zukunft Szenarien auszumalen und über die Vergangenheit zu grübeln?
Zwanzig interessierte Menschen lauschten mit großer Aufmerksamkeit den Impulsen, atmeten und summten, lernten achtsame Bewegungen kennen, die in vielen Lebenslagen durchführbar sind, meditierten und erfuhren die sanfte Wirkung des Selbstmitgefühls auf den Körper. Die Verbundenheit mit uns selbst und zu andere, das nicht allein sein müssen, im manchmal dunklen Tunnel einer Krankheit, brachte einen weiteren Aspekt des Miteinander ans Tageslicht.
Was ist Schmerz? Wie verhält sich der Schmerz, schwillt er an, flaut er ab, ist er gleichbleibend? Welche Empfindungen löst, dass wir Schmerz nennen, aus? Pocht es schneidet es, sticht es, pulsiert es? Gibt es Temperaturempfindungen von Kälte oder Wärme, von Zittern? Ist diese Stelle feucht oder nass, oder vielleicht trocken, ev. ausgetrocknet? Eine Vielzahl von Empfindungen wird von Schmerzen oder Unwohlsein ausgelöst. Ein erhöhtes Körpergewahrsein erlaubt ein hin spüren und benennen und eine differenzierte Betrachtung von Moment zu Moment. Denn auch die Empfindung verändert sich, so wie der Atem auch.
In lebhaften Diskussionen erfuhr jeder der Anwesenden, wie mit großem Einfühlungsvermögen bereits jetzt innere Kräfte mobilisiert werden. Gerade bei Krankheiten, die keine sichtbare äußere Zeichen zeigen, ist ein entschleunigter Lebensstil ein möglicher Weg des leichteren Umgangs im Alltag. Die Macht einer Pause, des Innehaltens, des bewussten Atemzugs, des Aufstehens oder ein paar achtsame Schritte, regelmäßig verteilt während des Tages, erlauben den Körper in die Ruhezone zu kommen.
In unterhaltsamen Mobilisierung Einheiten mit leichten Tänzen mit Tanzpädagogin Susanne Gaspar verbanden wir das Tun und Sein zwischendurch. Bei viel Gelächter erforschten wir frühmorgens das achtsame Gehen, Schritt für Schritt und bewegten uns des Gehens Wegen.
Der bekannte amerikanische Achtsamkeitslehrer und Autor Jon Kabat-Zinn schreibt in seinem Buch „Achtsam mit dem Schmerz“: „In diesem Leben mag zwar der Schmerz manchmal unausweichlich sein, das Leiden hingegen – das heißt, wie wir mit dem Schmerz umgehen – ist eine Wahl“. Der Buddha sprach von zwei Pfeilen, die uns in vielen Situationen im Lebens treffen. In der Sallatha Sutta (SN 36.6) aus dem Pali Canon, erläutert er: „Wird da, ihr Mönche, der ungelehrte gewöhnliche Mensch von einem Wehgefühl getroffen, dann ist er traurig, beklommen, er jammert, schlägt sich stöhnend an die Brust, gerät in Verwirrung. So empfindet er zwei Gefühle: ein körperliches und ein gemüthaftes. Gleichwie, ihr Mönche, wenn da ein Mann von einem Pfeil angeschossen würde, und er würde dann noch von einem zweiten Pfeil angeschossen. Da würde dieser Mensch, ihr Mönche, die Gefühle von zwei Pfeilen empfinden.“ Der erste Pfeil ist unabdingbar, er ist Teil des Lebens, der zweite Pfeil und alle die Folgen, sind vermeidbar.
Bereichert mit vielen Werkzeugen und persönlichen Einsichten, verabschiedeten sich die TeilnehmerInnen mit Leichtigkeit und in großer Zufriedenheit voneinander, im Vertrauen die Tücken der Erkrankung mit einer neuen, veränderten Einstellung zu begegnen.
Dieser Workshop setzte sich aus Elementen des Achtsamkeits-basierten Schmerz Management Programms (Kabat-Zinn), Breathworks Mindfulness UK (Vidyamala Burch) und Atem- und Körper Praktiken aus dem Hatha Yoga zusammen. Die intensive Auseinandersetzung der Autorin mit der Thematik über längere Zeit, hat ein mittlerweile erprobtes Format der komplementären Selbsthilfe im Umgang mit Krebs und Schmerz entstehen lassen.